M. Rickenbacher: Napoleons Karten der Schweiz

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Titel
Napoleons Karten der Schweiz. Landesvermessung als Machtfaktor 1798-1815


Autor(en)
Rickenbacher, Martin
Erschienen
Baden 2011: hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte
Anzahl Seiten
356 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Hans-Rudolf Egli

Das Hauptziel der vorliegenden Untersuchung war die Erforschung und Einordnung der französischen Kartierungsaktivitäten in schweizerischen Gebieten zur Zeit Napoleons I. Die in der Periode 1798 – 1815 entstandenen Karten sollten aufgefunden, kategorisiert, beschrieben und die damals kartierten Flächen bestimmt werden. Zudem sollten die politischen Beweggründe, die hinter den französischen Bemühungen um die Vermessung und Kartierung schweizerischer Gebiete standen, untersucht und dargestellt werden (S. 15). Der Autor wollte zudem die Konzepte der Helvetischen Republik für eine Landesvermessung «im gesamten Zusammenhang» würdigen (S. 19). Und auf der letzten Seite bekennt sich der Autor mit einem Zitat, dass er zu einem Forschungsthema einen «Raum» gesucht und offenbar gefunden hat, der wenn möglich unberührt war und den er mit Strukturen, Inhalten und Wissensfortschritten füllen konnte (S. 316).

Die Untersuchung basiert einerseits auf zahlreichen Primärquellen, vorwiegend Textdokumente und ausgewählte Karten in französischen Archiven, sowie andererseits auf Sekundärliteratur und auf Genauigkeitsanalysen ausgewählter Karten mithilfe neuer Computersoftware.

Nach dem Einleitungskapitel zur Zielsetzung, zum Stand der Forschung und der Erläuterung der Quellen und Methoden sind im ersten Hauptkapitel die Entwicklung der Kartografie und der Vermessung in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert ausführlich dargestellt. Dabei sind vor allem die Institutionen, die Organisation und die wichtigsten Personen beschrieben. Im nächsten Hauptkapitel ist die Entwicklung in der Schweiz vor 1800 dargestellt. Das Schwergewicht liegt auf den wissenschaftlichen Vermessungsarbeiten des Berners Johann Georg Tralles und dessen Schüler Ferdinand Rudolf Hassler sowie auf der Herstellung des Atlas Suisse (1796 – 1802) von Johann Rudolf Meyer, Seidenbandfabrikant aus Aarau, und dem französischen Ingenieur Johann Heinrich Weiss. Rickenbacher weist besonders auf den wichtigen Beitrag des Topografen und Reliefbauers Joachim Eugen Müller aus Engelberg hin und begründet damit, dass das Werk eigentlich Meyer-Weiss-Müller-Atlas genannt werden müsste und nicht nur Meyer-Weiss- Atlas. Aufschlussreich und weitgehend neu sind in diesem Kapitel die ganz unterschiedlichen Auffassungen und Produkte der Wissenschaftler (Tralles, Hassler u.a.) und der praktisch und kommerziell arbeitenden Kartenmacher und der fast zwangsläufig daraus entstandenen Spannungen und Konflikte. Im dritten Hauptkapitel sind die im Haupttitel des Buches genannten Arbeiten der Ingenieur-Geografen Napoleons in der Schweiz dargestellt, wobei auch in diesem Teil das Schwergewicht auf der Organisation, den Institutionen und den Personen liegt. Kartiert wurde in der napoleonischen Zeit nur der Jura und Teile des angrenzenden Mittellandes, insgesamt lediglich etwa ein Achtel der heutigen Schweiz. Selbst diese Karten sind nicht alle neu vermessen und kartiert. Einzelne wurden auf der Grundlage älterer Karten nur neu gezeichnet. Die Karten dieser Zone sind im vierten Hauptkapitel detailliert untersucht und deren Genauigkeit mit digital hergestellten Verzerrungsgittern analysiert. Im abschliessenden Kapitel Karten als Instrumente zur Beherrschung des Raumes sind einzelne Ergebnisse nochmals aufgenommen. Es handelt sich einerseits um eine Zusammenfassung, andererseits um Schlussfolgerungen, die aber teilweise in den analytischen Abschnitten nicht begründet sind. So wird beispielsweise die Bedeutung der Kommunikationsnetze (Strassen und telegrafische Verbindungen) einzig in diesem Abschnitt erwähnt.

Die Publikation ist besonders wertvoll durch die intensive Arbeit an den Primärquellen, ergänzt durch die Sekundärliteratur. Die sehr zahlreichen Zitate und die Gliederung des Buches in über 220 Kapitel und Unterkapitel machen das Buch recht schwer lesbar. Viele Aussagen sind nur durch Zitate belegt und damit zu wenig in die übergeordnete Fragestellung eingebunden und begründet. Einzelne Themen wie zum Beispiel der Atlas Suisse werden in zahlreichen Kapiteln beschrieben, was die Beurteilung dieses wichtigen Werkes erschwert. Besonders umfassend und wichtig ist die Darstellung zur Vermessungsgeschichte der Schweiz im 17. und 18. Jahrhundert. Ebenso liefern die Genauigkeitsanalysen, unter anderem mit den digital hergestellten Verzerrungsgittern, wichtige neue Erkenntnisse. Der Band ist sehr schön gestaltet und reich illustriert. Leider fehlt bei vielen reproduzierten Altkarten die Angabe des Originalmassstabes und bei allen der Reproduktionsmassstab. Sehr aussagekräftig sind die vom Autor entworfenen und wohl auch gezeichneten Grafiken.

Eine stärkere Fokussierung auf die Hauptfragestellung wäre möglich gewesen und hätte das Buch verständlicher und leichter lesbar gemacht. Der Titel hätte treffender gewählt werden können, und die Aussage des Untertitels Landvermessung als Machtfaktor ist zwar mehrfach erwähnt, aber kaum begründet und diskutiert. Trotz dieser Einschränkungen ist die Publikation von Martin Rickenbacher ein wichtiger Beitrag zur Vermessungsgeschichte der Schweiz und für alle vermessungs- und kartenhistorisch Interessierten sehr zu empfehlen.

Zitierweise:
Hans-Rudolf Egli: Rezension zu: Rickenbacher, Martin: Napoleons Karten der Schweiz. Landesvermessung als Machtfaktor 1798 – 1815. Baden: hier + jetzt 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 64-66.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 76 Nr. 1, 2014, S. 64-66.

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